4.1.1   Zement

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

Die mit dem Versuchsaufbau gemessene Grünzugfestigkeit reagiert sehr empfindlich auf Änderungen im Wassergehalt des Zementleims. Bereits geringe Änderungen desw/f Werts haben große Auswirkungen auf das Verhalten des Zementleims während der Prüfung. Eine generelle Festlegung, in welchen w/f Wert Bereichen die Durchführung des Versuchsmöglich ist, ist nicht möglich. Die obere und untere Grenze des w/f Werts ist abhängig vom Wasseranspruch und Wasserrückhaltevermögen des Zements und mussversuchstechnisch ermittelt werden.Die verwendeten Zemente haben alle einen unterschiedlichen Wasseranspruch, bedingt durch ihre Mahlfeinheit und die Kornzusammensetzung. Das hat zur Folge, dassdie w/f Bereiche, bei denen eine Zugfestigkeitsprüfung möglich ist, schwanken. BeiZementen mit geringerem Wasseranspruch können geringere w/f Werten geprüftwerden als bei Zementen mit höherem Wasseranspruch.

Die Auswertung der Ergebnisse in Abhängigkeit des w/f Werts sind in Abbildung 100 dargestellt. Dabei wurden die Maximalwerte der Zugkraft –dargestellt als Zugfestigkeit miteinander verglichen. Es bestätigte sich, dassder Zement mit dem geringsten Wasseranspruch bei Normsteife mit den niedrigstenw/f Werten herstell und prüfbar ist. Die Beurteilung der Prüfbarkeit erfolgt durchoptische Prüfung des frisch angemischten, erdfeuchten Zementleims. Ist ein Zementleimschlecht durchmischt und weist trockene Zementteilchen auf, wird von einer Prüfungabgesehen.

Abbildung 100: Maximalwerte der Grünzugfestigkeiten (nach Variante 1, jeweils ein Versuch) verschiedener Zementein Abhängigkeit desw/f Werts; jeweiligeNormsteife und
massenbezogener βP Wert(als w/f Fließgrenze angegeben) [132]

Bei dem Zement CEM I 52,5N (Werk 1) konnten Zementleime bis w/f=0,18 hergestellt und geprüft werden. Die Konsistenz war an diesem Punkt rieselfähig, gutdurchmischt und ohne trockene Stellen. Der w/f Wert wurde auf Grund der geringen Zugkräfte nicht weiter abgesenkt. Der maximal hergestellte und geprüfte w/f Wert lag bei diesem Zement bei 0,25. Die Konsistenz war bei diesem Wert bereitsplastisch, aber nicht fließfähig. Ab einem w/f Wert von 0,21 tritt bei diesem Zementbeim Verdichten Zementleim im Bereich des Adapterrings aus. Dessen Konsistenzist sehr wässrig und bildet einen Gleitfilm im Bereich des Adapterrings, sodass angenommen wird, dass keine zusätzliche Reibung auftritt. Mit steigendem w/f Wertwird die Menge des austretenden Zementleims größer und es wird schwieriger, dasobere Rohr beim Verdichten gegen Aufschwimmen zu sichern. Wegen des Festigkeitsabfalls und des zunehmend stärker austretenden Zementleims wurde kein höherer w/f Wert als 0,25 geprüft.Der Zement CEM I 42,5R (Werk 2) verhält sich beim Wasseranspruch ganz andersals der zuvor geprüfte Zement. Der erste hergestellte Zementleim mit einem w/f Wert von 0,18 war so trocken und stellenweise schlecht durchmischt, dass von einerZugprüfung abgesehen wurde. Die Konsistenz war nicht vergleichbar mit der desCEM I 52,5N bei gleichem w/f Wert. Der niedrigste geprüfte w/f Wert für den CEMI 42,5R war 0,20. In diesem Bereich war die Konsistenz des Zementleims rieselfähigund gut durchmischt. Der maximal hergestellte und geprüfte w/f Wert lag bei 0,30.

Im Gegensatz zu dem Zement CEM I 52,5 N zeigt der CEM I 42,5R ein besseresWasserrückhaltevermögen. Dadurch tritt auch bei den hohen w/f Werten bis 0,30beim Verdichten kein Zementleim aus.Einen vergleichbaren Wasseranspruch wie der CEM I 42,5R hat der zuletzt geprüfteZement CEM I 52,5R. Der niedrigste hergestellte und geprüfte w/f Wert lag ebenfallsbei 0,20. Die Konsistenz war auffällig trocken und die Zugkräfte gering, sodass aufein weiteres Absenken des w/f Werts verzichtet wurde. Der maximal hergestellteund geprüfte w/f-Wert war wegen des eintretenden Kraftabfalls 0,30. Das Wasserrückhaltevermögen ist schlechter als das des CEM I 42,5R. Es tritt zwar währenddes Verdichtens kein Zementleim am Adapterring aus, aber nach der Prüfung istam oberen Rohr ein geringer Austritt an Zementleim zu erkennen.

Anhand der Abbildung 100zeigt sich, dass die geprüften w/f Werte weit unterhalbder w/f Werte der durch den βP Wert beschriebenen Fließgrenze liegen. Bei der Durchführung derVersuche stellte sich heraus, dass Zementleime mit hohen Wassergehalten mit dieserVersuchseinrichtung nicht prüfbar sind. Versuche an Zementleimen mit w/f Wertenvon über 0,40 wurden daher nicht durchgeführt. Ein möglicher Zusammenhang zwischen demw/z Wert der Fließgrenze und den prüfbaren w/f Werten wurde nichtweiter verfolgt und ist auch nicht zu erwarten. Wie in Kap.2.2 erläutert, werden erdfeuchte Betone im Amerikanischen auch als „zero-slump-concrete“ bezeichnet. Der Begriff erläutert besser als der Deutsche Begriff „erdfeuchte Betone“, dass es sich um einen Konsistenzbereich handelt, der so steif ist, dass er mit einem Slumptest nicht weiter unterschieden werden kann. Das Wesen des βP Wertes ist jedoch eine Approximation des gerade so nicht beweglichen, verschiebbaren Betons/Leimes durch das gemessene Bewegungsverhalten von drei bzw. mehr weichen Leimen und deren Verformungsverhalten. Somit stellt der Schnittpunkt auf der y-Achse als βP Wert lediglich den maximal möglichen Wasser Feststoff Wert dar, bei dem keine Verformung mehr eintritt, jedoch nicht den minimal möglichen, siehe Abbildung 101. Es ist bekannt, dass der βP Wert ca. 30 % höher liegt als das wirkliche Wasser Feststoffverhältnis, das zu einer Hohlraumfüllung benötigt wird, weil der Wert durch lineare Extrapolation gewonnen wird, die wirkliche Kurve jedoch nicht linear verläuft. Auch bei einer Verringerung der βP Werte um 30% liegen diese reduzierten Werte immer noch oberhalb der w/f Werte der maximalen Zugkräfte in Abbildung 100.

Abbildung 101: Ermittlung der relativen Ausbreitfläche ī und Auswertung zur Bestimmung des βP Wertes [28]

Der w/z Wert bei Normsteife der einzelnen Zemente liegt hingegen näher am Maximum der hergestellten und prüfbaren w/f Werte. Die maximal hergestellten undgeprüftenw/f Werte liegen dennoch unter den w/z Werten bei Normsteife. DerWasseranspruch bei Normsteife ist daher nicht der maximal prüfbare Grenzwert,jedoch kann er als Orientierung bei der Auswahl des ersten zu prüfenden w/f Wertsverwendet werden. Die maximalen Zugfestigkeiten wurden bei w/f Werten erreicht, die bei ca. 25-29% unter denw/z Werten bei Normsteife lagen. AlsEinstiegswert eignet sich daher ein w/f Wert, der ca. 30% unter dem Wasseranspruchbei Normsteife liegt. Da dies nur eine Orientierungshilfe ist, reichen hierfür die allgemeinen Herstellerangaben aus, ohne dass eine separate Prüfung erfolgen muss. Um das Maximum der Zugfestigkeit des jeweiligen Zements versuchstechnisch zu ermitteln, wird ausgehend von diesem w/f Wert der Wassergehaltschrittweise erhöht und verringert.

Abbildung 102: Zusammenhang zwischen mittlerer Grünzugfestigkeit aus jeweils 5 Versuchen und w/z Wert (blaue Linie), Trendlinie (rot), Zement: CEM I 42,5 R (Variante 3) [134]

Der Wasseranteil, ausgedrückt durch den w/z bzw. w/f Wert beeinflusst unmittelbar die Partikelentfernung und damit die Verzahnung der Zementkörner untereinander. Beides ist bei geringem w/z Wert höher als bei höherem w/z Wert, weil sie von einer geringeren Wasserfilmdicke umgeben sind. Wird Zugkraft auf die Probekörper aufgebracht, lösen sich die Zementkörner mit einem dickeren Wasserfilm leichter voneinander als diejenigen mit einem dünneren Wasserfilm, die Zugfestigkeit in Abbildung 102 zeigt diesen Zusammenhang. Weil die Verdichtungswilligkeit mit stark sinkendem Wassergehalt abnimmt, da der Leim sich immer schwerer verformen lässt, verringert sich auch der erreichbare Verdichtungsgrad, es kommt zu einem Abfall der Zugfestigkeit. Dieser w/z Bereich ist in Abbildung 102 noch nicht enthalten, jedoch in Abbildung 100 bei allen drei Zementen erkennbar. Der Zusammenhang zwischen Verdichtungsgrad und Zugfestigkeit ist in Abbildung 86 exemplarisch dargestellt.

Anhand erster vollständiger Versuchsergebnisse der Zug Dehnungsmessung zeigte sich, dass mit dem Versuchsaufbau Unterschiede bei den w/z Werten dargestellt werden können, siehe Abbildung 103.

Abbildung 103: Zugkraft Zeit Diagramme bei zwei w/z Werten [134]

Darin enthält die x-Achse noch die Belastungszeit, in den Hauptversuchen wurde sie wie in Kap. 3.1beschrieben, als Weg aufgetragen, entsprechend 0,1 s = 0,3 mm (vergl. Abbildung 92).Alle durchgeführten Zugversuche sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Trennriss an der Sollrissstelle zwischen oberer und unterer Probekörperhälfte entsteht, siehe Abbildung 89. Am Ende des Versuches hängt der obere Teil der Schalung einschließlich Leimfüllung an der Messapparatur. Dadurch entsteht am Ende der Versuchskurven die asymptotische Annäherung an eine Kraft bei sehr großen Wegen, im Beispiel von Abbildung 103 an eine Kraft von ca. 7 N. Diese Kraft entspricht der Gewichtskraft des frei hängenden, oberen gefüllten Versuchskörpers. Weil der untere und der obere Schalungskörper zu Beginn des Versuches aufeinander stehen, übt die Gewichtskraft des oberen Teiles des gefüllten Probekörpers keine Druckbeanspruchung auf den Leimquerschnitt in der Sollrissfuge aus. An dem Punkt der maximalen Zugkraft ist die Gewichtskraft des oberen Abschnittes jedoch von dieser abzuziehen, um die effektive Zugkraft Zefzu erhalten, die für den Bruch des Zementleimes überschritten werden muss. Für die dargestellten Versuche betragen die effektive Zugkräfte (20 N-7 N) = 13 N (bei w/z-Wert 0,18) und (13 N-7 N) = 6 N (bei w/z Wert 0,25).

Der weniger feuchte Zementleim besitzt Eigenschaften eines spröden Werkstoffs. Der Bruch geschieht plötzlich und die auftretenden Spannungen sind bei ausreichender Verdichtung auf eine annähernd ebene Querschnittsfläche verteilt. Feuchterer Zementleim hat im Gegensatz dazu duktile Eigenschaften. Feuchter Zementleim ist klebrig und leichter formbar wie bei den Betrachtungen der Probekörper erkannt wurde. Probekörper mit einem w/z Wert von 0,18 waren hart und trocken, beim Reinigen musste der Zementleim aus dem Schalkörper gekratzt werden. Bei Probekörpern mit einem w/z Wert von z.B. 0,25 hat es ausgereicht, das Schalrohr zu schütteln, um den Haftverbund zur Mantelinnenfläche zu stören und der Probekörper glitt heraus. Dieser herausgeglittene Probekörper war verformbar. Dies führt zu der Erkenntnis, dass sich der feuchtere Probekörper auch vor dem Bruch verformt. Im Gegensatz zu trockenen Zementleimen geschieht der Abriss bei feuchteren Zementleimproben nicht kurz nach Erreichen der höchsten Zugkraft, sondern erst nach einer Restverformung. Der feuchtere Zementleim besitzt also eine größere Restzugfestigkeit. Einen Beleg hierfür liefert ein Vergleich zweier Versuchsgraphen mit unterschiedlichen w/z Werten, sieheAbbildung 103. Darin wird Zef bei w/z-Wert 0,25 bei 9 s erreicht (≙ 3 mm Weg), und ist erst bei ca. 17 s (≙5,66 mmWeg ) Null.

Nach dem Überschreiten der maximalen Grünzugkraft treten bereits Störungen in der frischen Zementleimmatrix auf, die Bindungen der Partikel untereinander lösen sich und verringern dadurch die Größe der verbleibenden Haftkräfte zwischen den Partikeln. Die Restzugfestigkeit fällt daher in einen Verformungsbereich, der bereits Schädigungen im Gefüge aufweist. Daher sind die zur Grünzugfestigkeit zählendenen Kenngrößen die Kraft Zef und der Weg, bei dem sie erreicht wird, wef.

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3

Menü