Innerhalb der Matrix eines Zementes besteht der zahlenmäßig größte Partikelanteil aus Teilchen mit einer Korngröße ≤ 2µm. Abbildung 57stellt die Verteilung des Massendurchgangeseines handelsüblichen Portlandzementes CEM I 42,5 R unter der Annahme ideal runder und glatter Partikel der rechnerischen Partikelanzahl je Durchmesser und der daraus errechneten Oberfläche je Durchmesser gegenüber. Danach sind 99% der Partikel kleiner als 2 µm, diese stellen ca. 70% der spezifischen Oberfläche. Es zeigt sich, dass die absolute Partikelanzahl und ihr Anteil an der Oberfläche wesentlich kleineren Partikelklassen zugeordnet werden muss als es anhand des Massendurchganges der Fall ist. Dies ist von Bedeutung, weil die Mechanismen der Haftkräfte und der Partikelverformungen sehr stark von den Partikeldurchmessern und den Partikeloberflächen beeinflusst werden.
Abbildung 57: Massendurchgang und daraus errechnete Partikel und
Oberflächenverteilung einesZementes CEM I 42,5 R
Die zwischen den einzelnen Partikeln wirkenden Kräfte beeinflussen entscheidend die Beweglichkeit der Matrix. Der Widerstand gegen eine Umlagerung durch Verdichtung aber auch der Verformungswiderstand des verdichteten Betons bei einer aufgebrachten äußeren Belastung sind abhängige Größen des Bewegungsverhaltens der Partikelmatrix.
Wierig [120] berücksichtigte in seinem theoretischen Modell über die Gründruckfestigkeit erdfeuchter Betone die Kräfte zwischen den Zementpartikeln aufgrund von Flüssigkeitsbrücken.Zwischen den Partikeln eines Bodens bzw. eines Schüttgutes wie z.B. erdfeuchtem Beton wirken eine Reihe weiterer Kräfte, deren Einflüsse und Mechanismen bei der Ermittlung der Haftkräfte für die Abschätzung der Zugfestigkeit einbezogen werden müssen.Abbildung 39 verdeutlicht mit einfachen Mitteln, dass die Summe aller Haftkräfte in Partikel-Wassergemischen von mehr abhängen muss, als von der absoluten Wassermenge. Czernin [70] weist mit diesem Beispiel darauf hin, dass die spezifische Oberfläche der Feststoffe eine entscheidende Größe bei Ausbildung von Haftkräften ist, die in der Summe von der Partikelgröße ebenso wie von der Oberflächenbeschaffenheit (glatt, rauh, zerklüftet) der Partikel abhängt.
Aus der Literatur [82], [30], sind an Mischungen bestehend aus Feststoffpartikeln unter 100 µm Durchmesser, Wasser und Gas (Luft) folgende Kraftmechanismen, die an den Kontaktpunkten der Partikel untereinander wirken, bekannt:
1. Adsorptionsschichten aus Wasser
2. Flüssigkeitsbrücken,
3. Kräfte durch Verformungen an Partikeln und Flüssigkeitsbrücken
4. Van der Waals Kräfte
5. Van der Waals Kräfte aufgrund von plastischen Verformungen
6. Elektrostatische Kräfte (anziehend und abstoßend)
7. Gewichtskräfte
8. Chemische Bindungen
9. Magnetische Kräfte
10. Reibung und Verzahnung
Gewichtskräfte dominieren als Druckkräfte ab einem Partikeldurchmesser von 1 mm. Zugkräfte bzw. Haftkräfte können durch Gewichtskräfte nicht ausgelöst und auch nicht übertragen werden. Sie stellen für viele der anderen Kraftmechanismen eine Vorbelastung dar, die wiederum zu Verformungen der Partikel an den Kontaktpunkten führen können. Gewichtskräfte werden an dieser Stelle nicht separat betrachtet, weil die Partikelgrößen bei Zementleimgemischen max. 0,1 mm betragen und sie keine Zugkräfte bilden können. Weiterhin sind für die hier angestellten Betrachtungen im Bereich des Frischbetons chemische Bindungen und magnetische Kräfte ohne Bedeutung. Die Wirkungsweisen der weiteren Kraftkomponenten werden im Folgenden vorgestellt.