3.1   Aufbau des Prüfgerätes

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

Die ersten Versuche wurden im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführt [132].

Die Versuchseinrichtung besteht aus zwei nahtlos geformten Kunststoffröhren, die durch einen Adapterring aufeinander gestellt werden können. Dieuntere Röhre ist durch einen ebenen Boden verschlossen. Die obere Röhre wirddurch eine Lasteinleitungsplatte verschlossen, die mit vier Feststellschrauben befestigt wird. Bei dem Zugversuch wird in die Lasteinleitungsplatte durch eine Befestigungsschraube eine zentrische Zugkraft eingeleitet, über die Feststellschrauben wirddie Kraft auf die obere Röhre umgeleitet und ermöglicht, dass diese zentrisch nachoben gezogen wird.Die Verbindung der beiden Röhren durch den Adapterring wird nicht mechanischbefestigt, sondern ohne Zwang aufgesteckt, siehe Abbildung 83.

Abbildung 83: Innenliegende Feder des Adapterringes, die als Distanzstück zwischen den Röhren dient (Detail aus Abbildung 85)

Die Röhren stehen lotrecht aufeinanderund der Adapterring verhindert ein gegenseitiges Verschieben.Der Versuchsaufbau ist so konstruiert, dass sich die Röhren im unbefülltem Zustand unter Zugbelastung ohne Widerstand auseinander ziehen lassen. Im Inneren des Adapterrings ist eine 4,5 mm breite Feder angeordnet, die einen Anschlagspunkt für die beiden Rohrstücke bilden und sich dadurch nicht direkt berühren.Dieser Bereich stellteine4,5 mm breite Sollbruchkante dar. Es ist vorgesehen, dass der Zementleim in diesemBereich reißt.

Am Boden (rot in Abbildung 84) wird die Einrichtung fixiert und entspricht einem statisch eingespannten System. Abbildung 84 zeigt eine schematische Darstellung der wirkenden Kräfte während des Zugversuches.Damit der Zementleim an der vorgesehenen Sollbruchkante reißt, muss die äußere Reibung FR des Zementleims an der Wandung der Röhre größer sein als die maximale Zugfestigkeit FZ des Zementleims. Die äußere Reibung ist ein Widerstand zwischen zwei Kontaktflächen. Es gibt verschiedene Formen der äußeren Reibung.Für die Funktionalität des Zugversuchs an erdfeuchten Zementleimen sind die Haftreibung und die Gleitreibung ausschlaggebend.

Die Haftreibung ist die größere der beiden Reibungskräfte. Sie wirkt, wenn die Bewegung der beiden aufeinander treffenden Materialien noch nicht eingesetzt hat. Sie ist abhängigvon der Rauigkeit der Oberflächen und der senkrecht zur Haftreibung wirkendenNormalkraft FN . Die Gleitreibung wirkt, wenn die Bewegung der beiden Kontaktflächen gegeneinander eingesetzt hat und ist geringer als die Haftreibung.Die Haftreibung bewirkt beim Zugversuch, dass der Zementleim an der Wandunghaftet und so auf Grund des Versagens der Zugfestigkeit des Zementleims ein Riss imBereich der Sollbruchkante entsteht.Gleitreibung darf nicht eintreten, da sonstdie obere Röhre an dem verdichteten Zementleim nach oben hin abgleitet und keinRiss im Zementleim entsteht. Dann ist es nicht möglich, die zentrische Zugfestigkeitdes Zementleims zu bestimmen.Für die Funktionalität der Versuchseinrichtung muss deswegen die nachstehende Bedingung erfüllt sein:

Abbildung 85: Versuchsaufbau Variante 1 mit Prinzipskizze [132]

Kusche erkannte als Schwächen dieses Aufbaus die Präzisionswaage (Typ Sartorius TYP 3808004-2MP8) und die manuelle Führung dieser Waage, wodurch eine exakte Krafteinleitung ohne exzentrische Lasten nicht sichergestellt werden konnte.

Weiterhin stellte sich heraus, dass der Adapterring dazu führte, dass bei Gemischen mit höherem w/z Wert Leim zwischen Ring und äußerer Wandung des Formrohres eintreten konnte und zusätzliche Haftkräfte verursachte, die als Messfehler wirkten.

Dennoch zeigte sich, dass die Messung der zentrischen Zugfestigkeit möglich ist und eine Zunahme der Zugfestigkeit mit steigendem Verdichtungsgrad nachgewiesen werden konnte, dargestellt in Abbildung 86.

Abbildung 86: Zugfestigkeit in Abhängigkeit vom Verdichtungsgrad bei w/z = 0,23

Die Verdichtung erfolgte dabei wie in Kap. 3.3 beschrieben. Der Verdichtungsgrad wurde als Quotient aus dem Zementleimgewicht in den Probekörpern und dem theoretischen Zementleimgewicht aus der Mischungsberechnung berechnet.

Veränderungen des Versuchsaufbaus erfolgten Ende 2010 [133].

Abbildung 87: Versuchsaufbau Variante 2 [133]

Abbildung 88: Prinzipskizze Versuchsaufbau Variante 2 [133]

Abbildung 89: Schalung für die Probekörper Variante 3 [134]

Abbildung 89 zeigt das Prinzip des bereits befüllten Probekörpers, an dem nach dem Befüllen die Lasteinleitungsplatte bereits befestigt wurde. Die Rohrschellen dienen der Fixierung des Versuchsaufbaus während des Befüllens und Verdichtens. In der hier dargestellten Montageausführung wird der Aufbau unter die Zugeinrichtung gestellt.

Danach werden die Rohrschellen vorsichtig gelöst und das längseingeschnittene PVC Rohr nach unten geschoben, so dass die Fuge zwischen den beiden Rohrabschnitten freiliegend ist und die beiden gefüllten Probekörperhälften frei aufeinanderstehen.Abbildung 90 zeigt die einzelnen Schritte der Handhabung Der Boden lässt sich durch Fixierschrauben vom unteren PVC-Rohr lösen, damit die Reinigung nach erfolgtem Zugversuch einfacher und schneller möglich ist.

Abbildung 90: Befüllen der fixierten Probekörperhälften (links), Anbringen der Lasteinleitungsplatte (mitte), Probekörperhälften mit gelöster Fixierung unter der Zugvorrichtung (rechts)

Abbildung 91: Variante 3 mit Versuchsstand und Einzelteilen [134]

Die Versuchseinrichtung wurde vollständig erneuert und besteht aus zwei Teilen: der Zugeinrichtung mit dem Kraftmessgerät (PCE FG 200), und dem Schalkörper, der den Zementleim während des Verdichtens und während des Zugversuchs in Form hält. Die Zugeinrichtung besteht aus einem Gestell, das über eine Kurbelvorrichtung in der Höhe verstellbar ist (Abbildung 91). Durch Betätigung der Kurbel wird ein senkrechtes Anheben des eingehängten Kraftmessgerätes ermöglicht. Die aufgenommenen Daten werden mittels Datenkabel auf einen Computer mit zum Prüfgerät gehöriger Software transferiert.

Durch manuelles Betätigen der Kurbel fährt das Kraftmessgerät nach oben. Der Weg wird über den am Messgerät eingehängten Haken auf die Einhängeöse der Lasteinleitungsplatte (siehe Abbildung 89) übertragen. Dadurch bewegt sich das obere PVC-Rohr nach oben. Währenddessen wird durch das Messgerät die Kraft gemessen und zusammen mit der Zeit elektronisch aufgezeichnet, dabei beträgt die maximale Messfrequenz 10 Hz (10 Messwerte je Sekunde). Eine komplette Kurbelumdrehung bewegt die Zugvorrichtung um 3 mm nach oben. Es wurde festgelegt, dass eine Kurbelumdrehung möglichst eine Sekunde betragen soll. In der praktischen Anwendung heißt das, der Zugversuch wird mit in etwa immer der gleichen Kurbelgeschwindigkeit als weggesteuerter Versuch gefahren. Bei der Analyse des Bruchweges sollte jedoch beachtet werden, dass aufgrund der manuellen Bedienung nur eine annähernde Aussage über den Bruchweg getroffen werden kann. Der untere Teil des Probekörpers wird manuell fixiert.

Das Auslesen der Daten geschieht mit Hilfe der Messprotokolle, die aus dem Zugversuch auf den Computer übertragen werden. Neben den zehn Zugkräften pro Sekunde ( 10 Hz als maximale Abtastrate) werden auch die Zeiten in Zehntel pro Sekunde zu der jeweiligen Kraft aufgezeichnet. Aus den Rohdaten werden die Daten gefiltert, die zwischen dem Beginn und dem Ende der Messung liegen. Dabei kennzeichnet der erste Messwert der Kraft den Beginn. Das Ende tritt dann ein, wenn die Restkraft, die aus dem Eigengewicht der gefüllten, oberen Probekörperhälfte besteht, konstant ist.

Als Bruchzeit wird die Zeit definiert, die nach Auftreten der ersten Zugkraft bis zum Eintreten der Höchstzugkraft liegt. Diese Zeit wird mit dem Faktor drei multipliziert, um den Bruchweg in Millimeter zu berechnen.

Abbildung 92: aufgezeichnete Rohdaten des Messgerätes für Versuch mit w/f = 0,21 aus Abbildung 127 (Zugdehnungen von Zement CEM III/A 42,5 R)

Der Bruchweg gibt Auskunft über die Duktilität der Probekörper. Ein weicher Probekörper, etwa mit einem höheren w/z Wert, wird voraussichtlich einen längeren Bruchweg haben als ein trockener Probekörper, der sich nur gering verformt.

Abbildung 93: Bruchwege bei unterschiedlichen w/z Werten Alt = Versuche nach Variante 1,NEU = Versuche nach Variante 3 [134]

Bereits im Rahmen eines Vergleiches der beiden Versuchsvarianten 1 und 3 zeigte sich, dass ein Zusammenhang zwischen Bruchweg und w/z Wert festgestellt werden kann.

Der alte Versuchsaufbau Typ 1 führte im Vergleich zu Typ 3 bei allen drei betrachteten w/z Werten zu niedrigeren Bruchwegen. Der bei Typ 1 verwendete Adapterring wird von den Leimen hinterlaufen und es bildete sich eine zusätzliche Kontaktzone an den Außenwänden der Rohre in dem Bereich des Adapterringes. Dadurch erhöhen sich die gemessenen Haftkräfte und die Bruchwege verringern sich.

Für alle weiteren Versuche wurde der Versuchsaufbau Typ 3 verwendet, bei dem die Übertragung der Zugkraft an der Sollbruchstelle des Leimkörpers ohne Störung verläuft.

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3

Menü