4.2.1   Ausgangsstoffe, Leimrezepturen und verwendete Kenngrößen

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

An den eingesetzten Feststoffen wurde mittels Lasergranulometrie jeweils die Partikelgrößenverteilung festgestellt, die Ergebnisse sind im Anhang 1 wiedergegeben.

Die Zemente beschränken sich auf einen Vergleich von unterschiedlichen Zementarten in der Festigkeitsklasse 42,5. Diese wurde gewählt, weil sie in der Praxisanwendung von sofort entschalten Betonteilen die größte Bedeutung hat. Zemente der Festigkeitsklassen 32,5 und 52,5 werden hingegen nur sehr selten eingesetzt.

Zusätzlich wurde mit Flugasche ein Zusatzstoff verwendet, dersehr häufig bei Produktionsverfahren mit erdfeuchten Betonen zum Einsatz kommt, sowie mit Mikrosilika und Metkaolin auch zwei Stoffe, die in der Praxis erdfeuchter Betone bislang nur sehr begrenzt erprobt wurden. Ebenfalls wurde Siliziumcarbid (SiC) bei den Untersuchungen eingesetzt. Hierbei handelt es sich um einen Reststaub aus der Metallbearbeitung, der bei der Betonherstellung bislang nicht zum Einsatz kommt. Mikrosilika, Metakaolin und Siliziumcarbid wurden ausgewählt, weil sich die Partikelgeometrien dieser drei Stoffe untereinander, und auch von den verwendeten Zementen, deutlich unterscheiden.

Die theoretischen Betrachtungen zu den interpartikulären Kräften aus Kap. 2.4 zeigen, dass von den Korngrößen, Kornformen sowie den Oberflächenbeschaffenheiten der Partikel die übertragenen Haftkraftmechanismen beeinflusst werden.

Um eine Einschätzung über die äußere Beschaffenheit der verwendeten Feststoffe zu erhalten, wurden von allen verwendeten Feststoffen mit einem Rasterelektronenmikroskop Tescan Vega3 SBHREM-Aufnahmen am Lehrstuhl für Neue Fertigungstechnologien und Werkstoffe der Bergischen Universität Wuppertal, Solingen, angefertigt.

Die verwendeten Zusatzstoffe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Partikelgeometrie, Oberflächengestalt und Reaktivität und werden folgend anhand der REM Aufnahmen vorgestellt.Je Stoff zeigen die Aufnahmeneinen skalierten Bereich von 50 µm, 10 µm und 5 µm.

CEM I 42,5 R:

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Abbildung 116: REM Aufnahmen von CEM I 42,5 R, reiner Portlandzement

CEM II/A LL 42,5 R:

Abbildung 117: REM Aufnahme von CEM II/A LL 42,5 R, Portlandkalksteinzement; Bildmitte: Kalksteinmehl Partikel

CEM III/A 42,5 R:

AAbbildung 118: REM Aufnahmen von CEM III/A 42,5 R, Hochofenzement; Bildmitte: Hüttensand Partikel

Die optische Beschaffenheit von Hüttensand ist sowohl in Reinform als auch in Kompositzementen starken Schwankungen unterworfen. Die Partikelgröße und die Kornformen bleiben im Allgemeinen relativ gleich. Je nachdem, welchen Ursprungs der Hüttensand ist und auch je nachdem, wie lange er bereits an der Luft lagerte, unterscheidet sich die Ausbildung der Partikeloberflächen. Sie können bereits vollständig mit kleinen Reaktionsprodukten belegt sein, oder vollständig bis teilweise glatt ohne Reaktionsprodukte [17].

Flugasche:

Abbildung 119: REM Aufnahmen von Flugasche

Flugasche ist überwiegend kugelig, dazwischen größere Partikel mit gratiger Beschaffenheit. Auf der Oberfläche sind flächendeckend Strukturen zu erkennen, die deutlich unter 1 µm Größe liegen. Flugasche istpuzzolanisch reaktiv jedoch nicht in den ersten Minuten nach Wasserzugabe.

Metakaolin:

In diesem Fall handelt es sich um ein fein aufgemahlenes, gebranntes (calciniertes)Kaolin, hier aus künstlicher Herstellung von Blähglasgranulat. Es besteht überwiegend aus Siliziumdioxid und Aluminiumtrioxid [140] und ist puzzolanisch reaktiv, jedoch nicht in den ersten Minuten. Die Struktur der Partikel ist kubisch kantig gebrochen, mit extrem rauher, zerklüfteter Oberfläche und dabeidabei sehr plattig. Metakaolin wurde untersucht, weil dieser Zusatzstoff erst seit ca. 10 Jahren zur Verfügung steht, und mittlerweile vereinzelt bei der Herstellung erdfeuchter Betone eingesetzt wird. Außerdem unterscheidet sich seine Form erheblich von Flugasche, die bereits seit den 1960 er Jahren eingesetzt wird, wie ein Vergleich der Abbildung 119 und Abbildung 120zeigt.

Abbildung 120: REM Aufnahmen von Metakaolin

Abbildung 121: REM Aufnahmen von Siliziumcarbid (SiC)

SiC(umgangssprachlich Karborund) stellt sich in den REM-Aufnahmen plattig dar mit klar definierten Bruchflächen ohne Abrundungen und sehr scharfkantig. Abgesehen von Anhaftungen kleinerer Partikel sind die Oberflächen glatt ohne erkennbare Rauhigkeitserhebungen.SiC ist ein Stoff, derbislang bei der Betonherstellung nicht verwendet wird, er wird aufgrund seiner Härte als Schleifmittel bei der Metallbearbeitung und als Hartstoff verwendet. Dieser Stofff wurde ausgewählt, weil er sich in Partikelform und Beschaffenheit der Oberfläche deutlich von den anderen Ausgangsstoffen untterscheidet.

Von dem verwendeten Mikrosilika konnten keine separaten REM Aufnahmen gefertigt werden, weil die Mikroskopkammer nur mit vier Objektivträgern bestückt werden konnte. Daher wird für den optischen Vergleich auf Aufnahmen aus der Literatur zurückgegriffen [141]. Dabei ist die dargestellte Skalierung in Abbildung 122 mit 0,5 µm den Faktor zehn kleiner als bei den übrigen Ausgangsstoffen. Soweit erkennbar, wirken die Oberflächen glatter als bei Flugasche.

Abbildung 122: Aufnahme von Mikrosilika der Fa. Elkem [141].

Eine Zusammenstellung der verwendeten Ausgangsstoffe enthält Tabelle 7.

Die theoretischen Betrachtungen zu den interpartikulären Kräften aus Kap. 2.4zeigen, dass von den Korngrößen, Kornformen sowie den Oberflächenbeschaffenheiten der Partikel die übertragenen Haftkraftmechanismen beeinflusst werden

Tabelle 7: Kenngrößen der bei den Hauptversuchen verwendeten Ausgangsstoffe

Die spezifischen Oberflächen wurden nicht aus dem Blaine Wert ermittelt, sondern kumulativ aus den Ergebnissen der Partikelgrößenanalysen gem. Anhang 1.Bei einem Vergleich der spezifischen Oberflächenfällt auf, dass von den drei Zementen der CEM I die mit Abstand geringste Oberfläche aufweist. Ehrenberg [142] verweist bezüglich der Mahlfeinheit darauf, dass Kompositzemente der Kategorie CEM II und CEM III bei der Herstellung in der Regel feiner gemahlen werden als reine CEM I-Portlandzemente, um eine bessere Aussteuerung der zu erwartenden Festigkeiten zu erzielen. Dabei spielt auch noch die verfahrenstechnische Frage eine Rolle, ob die einzelnen Hauptbestandteile gemeinsam gemahlen werden, oder ob eine getrennte Mahlung mit anschließender Mischung der gemahlenen Bestandteile erfolgt.

In den Versuchsauswertungen wurde jeweils der Wasser-Feststoffwert (w/f) angegeben sowie die Gesamtoberfläche in [cm2/g]. Diese wurden aus der prozentualen Kombination der Durchgänge der Einzelkornfraktionen berechnet.Beispielhaft wurden inTabelle 8 und Tabelle 9anhand der Partikelgrößenanalysen im Anhang 1 die Partikeloberfläche jeder Kornfraktion berechnet, deren Summe die gesamte Oberfläche des pulverförmigen Feststoffes darstellt. Dabei liegt allen Berechnungen der Oberfläche und des Volumens die Annahme zugrunde, dass es sich um ideal kugelige, glatte Partikel handelt. Formfaktoren für die geometrische Abweichung von der Kugelform sowie für Rauhigkeiten an der Oberfläche wurden nicht berücksichtigt.

Für z.B. eine Kombination von 85 % CEM I 42,5 R mit 15 % SiC(gem. Abbildung 135) wurden die kumulative Gesamtoberfläche dieser Mischung aus den anteiligen Gesamtoberflächen (jeweils rechts unten in Tabelle 8 undTabelle 9)

wie folgt berechnet:

OP,I42,5R+15%SIC = 4.846,31*0,85+10.046,14*0,15 = 5626 [cm2/g], entsprechend der Angabe in Abbildung 135.

Tabelle 8: Berechnung der Oberfläche je Kornfraktion [cm2/g] sowie der Gesamtoberfläche [cm2/g] am Beispiel CEM I 42,5 R (gem. Anhang 1, Tabelle 11)

Tabelle 9: Berechnung der Oberfläche je Kornfraktion [cm2/g] sowie der Gesamtoberfläche [cm2/g] am Beispiel Siliziumcarbid (gem. Anhang 1,Tabelle 17)

Als Kenngröße der Zementleime bzw. der Feststoffleime wurde zusätzlich die Fest
stoffoberfläche im frischen Leim [cm2/g Leim]gemäß Formel 38 berechnet:

In einem Gramm Leim hängt die vorhandene Oberfläche vom zugegebenen Wassergehalt ab. Aus einem vorgegebenen w/f Wert ((w/f) = W/F) errechnen sich die Anteile an Zement und Wasser je Gramm Leim (F + W = 1g) wie folgt:

Zum Beispiel hat der verwendete CEM I 42,5 R (vergl. Anhang 1, Tabelle 11) eine Oberfläche OP = 4.846 cm2/g Trockensubstanz Pulver. Bei einem w/f-Wert von 0,21 befinden sich in einem Gramm Leim

Somit reduziert sich die Partikeloberfläche im Leim mit der Zunahme des Wassergehaltes. Aus dem w/f Wert und der Gesamtpartikeloberfläche OL wurde zusätzlich die mittlere Wasserfilmdicke Fwje cm2 Feststoffoberfläche wie folgtberechnet:

Abbildung 123: Zusammenhang zwischen der Partikeloberfläche im Leim und der
Wasserfilmdickeeines Quadratzentimeters Partikeloberfläche, Punkte = durchgeführte Versuche, Linien = rechnerischer Zusammenhang gem.Formel 38

Die effektiv vorhandene Partikeloberfläche in einem Gramm Leim hängt vom w/f Wert ab, genauso wie die Wasserfilmdicke, die sich auf einem Quadratzentimeter Partikeloberfläche befindet. An der Anordnung der einzelnen Punkte in Abbildung 123ist zu erkennen, in welchen Bereichen der Leimoberflächen Versuche durchgeführt worden sind.

Die Werteder Oberfläche im Leim und der Wasserfilmdicke je Quadratzentimeter Oberfläche werden darauf hinüberprüft, ob sie als Kenngröße zur Abschätzung der Zugfestigkeit oder des Weges bei der Auswertung der gewonnenen Ergebnisse geeignet sein können.

Es handelt sich dabei nicht um die mittlere Wasserfilmdicke eines Feststoffpartikels. Hierfür hatte Reschke [63] die Größe eines mittleren Partikeldurchmessers definiert und an diesem die mittlere Wasserfilmdicke berechnet.Bei dieser Vorgehensweisebleibt die Verteilungsfunktion der Partikelgrößen und ihre jeweiligen Partikelanzahlen unberücksichtigt.

Als Bezugsgröße für die Oberfläche ist die Angabe in cm2 je Gramm bei pulverförmigen Stoffen wie Zement, Flugasche usw. bekannt.

Insbesondere wenn Feststoffe mit unterschiedlichen Rohdichten miteinander kombiniert werden, ist die volumetrische Verteilung der vorhandenen Oberflächen idealerweise nicht auf eine gravimetrische Einheit, Gramm, in Bezug zu setzen, sondern auf ein Volumenelement, Kubikzentimeter. Die spezifische Feststoffoberfläche je Kubikzentimeter Leim OLSkann wie folgt berechnet werden:

Weil die Angabe der Oberflächenfeinheiten an Trockensubstanzen jedoch generell in cm2/g erfolgt, wird für eine bessere Vergleichbarkeit auf die Einführung der Angabe in cm2/cm3 verzichtet.

Der Verdichtungsgrad aller Probekörper wurde ebenfalls mit dokumentiert, die Istgewichte der Probekörper wurden den rechnerischen Sollgewichten gegenübergestellt und prozentual mit erfasst. Wie bereits bei den Vorversuchen erläutert, können definierte Verdichtungsgrade mit der Versuchseinrichtung nicht erzeugt werden.

Als Ergebnisse der Zugversuche wurden für jede Mischung der Verlauf der Zugkraft und der aus der Versuchsdauer errechnete Weg aufgezeichnet und grafisch dargestellt

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3

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