6.2   Ergebnisse

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

Erdfeuchte Betonrezepturen werden dauerhaft bei der Herstellung von sofort entschalten Betonteilen unverzichtbar sein. Die in dieser Arbeit aufgezeigten Ergebnisse können als Grundlage dienen, um eine Optimierung der Rezepturen in der Zukunft zu ermöglichen.

Dabei geht es nicht vorrangig um eine technische Verbesserung auf einem bereits vorhandenen, hohen Niveau, wie die geringe Rate von ca. 1 % Fehlproduktion durch Ausschuss belegt. Im Fokus sollte vielmehr eine wirtschaftliche Optimierung bei gleichbleibender Leistungsfähigkeit der Rezepturen stehen. Zusatzstoffe wie z.B. Mikrosilika, die von 20 Jahren so gut wie nicht bekannt waren, stehen zur Verfügung, ebenso wie Metakaolin und mögliche weitere, die in Zukunft noch entwickelt werden. Auch bei Zementen werden neue Zemente hinzukommen, die bereits vor dem Einsatz auf großtechnischen Anlagen mit den bislang verwendeten Zementen verglichen werden können. Ebenso werden in Zukunft natürliche Gesteinskörnungen zunehmend weniger zur Verfügung stehen, weil die natürlichen Ressourcen erschöpfen, folglich müssen Materialien anderen geologischen Ursprunges, andere Korngrößen oder rezyklierte Gesteinskörnungen auf ihre Eignung für erdfeuchte Betone hin überprüft werden, bevor Großversuche in den Produktionseinrichtungen erfolgen.

Das Einsatzgebiet des Prüfverfahrens kann darin liegen, eine Rezeptur auszuwählen, deren Zugdehnungsverhaltenhoch, d.h. spröde ist, jedoch nicht unbedingt das absolute Maximum erreicht, dafür aber wirtschaftlich aufgrund der Zusammensetzung deutlich vorteilhafter ist als bisher verwendete Rezepturen.

Optisch gleich erdfeuchte bzw. trocken anmutende Zementleime können in ihrem Zugdehnungsverhalten durch die Zugkraft-Wegdiagramme recht deutlich unterschieden werden. In Kombination mit den Verdichtungsgraden und den w/f Werten ist eine sichere Einstufung dahingehend möglich, ob es sich um einen Leim mit spröden Eigenschaften und hoher oder niedriger Zugkraft handelt, oder um einen duktilen Leim mit hoher oder niedriger Zugkraft handelt. Das Prüfverfahren ist geeignet, Unterschiede bei Rezepturen erdfeuchter Zementleimgemische zu erkennen und dadurch eine Optimierung der Zugdehnungseigenschaften zu erreichen. Somit schließt das Prüfverfahren die in Kap. 2.2 beschriebene Lücke bei den konsistenzunterscheidenden Prüfverfahren. Es ist ein drei Punkte Prüfverfahren (Zugkraft, Weg, Verdichtungsgrad), bei dem die Veränderungen zweier Parameter (Zugkraft und Weg) kontinuierlich aufgezeichnet werden. Auch zeigte sich, dass erdfeuchte Betone mit einem Größtkorn von 8 mm ebenfalls geprüft werden können, auch hierbei konnten unterschiedliche w/z Werte identifiziert werden.

Eine Prognose der Leimeigenschaften anhand der verwendeten Ausgangsstoffe ist lediglich bedingt möglich. Während Mikrosilika sich als positiv für die Zugkraft herausgestellt hat, führt Siliziumcarbid zu einer durchgehenden Verringerung der Zugkraft. Bei Einsatz von CEM II/A LL und CEM III wurde die maximale Zugkraft bei geringeren Wegen erreicht als bei CEM I. Leime mit Metakaolin verhielten sich überwiegend duktiler.

Für die Versuchsserien im Rahmen dieser Arbeit wurden von allen verwendeten Feststoffen die granulometrischen Kenngrößen ermittelt, um anhand der Partikeloberflächen unter der Annahme runder, ideal glatter Partikel die Oberfläche im Leim sowie die Wasserfilmdicke zu berechnen. Es zeigte sich, dass diese Kenngrößen in keinem erkennbaren Zusammenhang zu Zugkraft und Bruchweg stehen. Damit kann für weitere Arbeiten, sowie für den Einsatz des Prüfverfahrens bei der Produktionsoptimierung, auf die relativ aufwändige Untersuchung der Feststoffe mittels Lasergranulometrie verzichtet werden.

Die früheren Forschungen an erdfeuchten Betonen durch Wierig und Bornemann konzentrierten sich auf die Gründruckfestigkeit und nannten als entscheidende Bindemechanismen der Partikel Flüssigkeitsbrücken (Wierig) oder Reibungseffekte (Bornemann). Reibungseffekte können sich immer erst dann einstellen, wenn eine Relativbewegung der Feststoffpartikel vorhanden ist, hierbei müssten hohe Zugkräfte bei höheren Wegen gemessen werden. Wie in Abbildung 157 ersichtlich, besteht kein Zusammenhang zwischen hohen Zugkräften und hohen Wegen.

Die theoretische Analyse der interpartikulären Bindemechanismen in Kap. 2.4.2zeigte, dass neben der Kapillarkraft durch Flüssigkeitsbrücken auch von Adsorptionsfilmen, van-der-Waals-Kräften und plastischen van-der-Waals-Kräften interpartikuläre Haftkräfte ausgehen. Diese Kraftmechanismen werden stark von den Mikrorauhigkeiten der Partikel in Größenordnungen unter 1 µm beeinflusst. Die Reichweiten dieser Kräfte sind unterschiedlich. Ein Teil der erhaltenen Zugdehnungslinien zeigt Veränderungen in den Steigungen während der Kraftzunahme und auch während der Kraftabnahme. Diese können darauf hinweisen, dass mehrere Haftkraftmechanismen gemeinsam wirken und mit zunehmendem Weg die Reichweite ihrer Wirkung nacheinander überschritten wird, bevor die maximale Zugkraft erreicht wird. Eine eindeutige Zuordnung war im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich.Es konnte nachgewiesen werden, dass unterschiedliche Ausgangsstoffe, auch in Kombination, das Zugdehnungsverhalten beeinflussen bei gleichen Wasser-Feststoffgehalten. Dieses Verhalten weist darauf hin, dass nicht alleine kapillare Haftkräfte der Flüssigkeitsbrücken zwischen Partikeln für die Zugkraft verantwortlich sein können. Kapillare Haftkräfte durch Flüssigkeitsbrückenwerden nicht von den chemischen oder physikalischen Eigenschaften der hier verwendeten Feststoffpartikel beeinflusst, sondern lediglich von der Phasengrenze Wasser Feststoff Luft, daher können von ihnen keineUnterschiede des Zugdehnungsverhaltens der verschiedenen Feststoffe in Verbindung mit Wasser ausgehen.

Zusammenfassend steht mit dem entwickelten und verwendeten Prüfverfahren eine Methode zur Verfügung, mit der durch praktische, kleinskalierte Versuche Unterschiede in dem Zugdehnungsverhalten erdfeuchter Leimgemische und erdfeuchter Betone identifiziert werden können. Es ist daher grundsätzlich dafür geeignet, die werkseigene Produktionskontrolle während der laufenden Herstellung erdfeuchter Betonteile zu ergänzen und bei der Entwicklung neuer Betonrezepturen eingesetzt zu werden.

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3