1.2 Bisherige Untersuchungen

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

Über erdfeuchte Betone und erdfeuchte Leime wurden in der Vergangenheit nur sehr wenige Forschungen durchgeführt. Zu Beginn der 70er Jahre wurde durch Wierig erstmalig an erdfeuchten Betonen die Gründruckfestigkeit untersucht [20].

Diese wurde als einziges Kriterium für die frisch verdichteten Produkte und deren Standfestigkeit, der sogenannten Grünstandsfestigkeit, angesehen. Dabei wurde insbesondere der Einfluss der Verdichtung und der Reib und Verschiebewiderstand der groben Gesteinskörnung in der Frischbetonmatrix betrachtet. Bei der Rohrherstellung untersuchte Hillebrand 1983 den Einfluss der Vibrationsverdichtung auf die Gründruckfestigkeit bei geringen Variationen der Sieblinie der groben Gesteinskörnungen [21] ohne Einflüsse der Feinstoffe einzubeziehen. Auch in den neueren Untersuchungen von Bornemann 2005 [22] stand der Zusammenhang von Gründruckfestigkeit, Packungsdichten und Verdichtungsgraden im Vordergrund.

Eine wesentliche Voraussetzung für eine hohe Gründruckfestigkeit ist jedoch das Vorhandensein von Haftkräften zwischen den einzelnen Feststoffpartikeln und dadurch bedingt die Fähigkeit, bei Verschiebungen innerhalb der Matrix auch Zugkräfte aufzunehmen. Hierbei spielen insbesondere diejenigen Stoffe eine wichtige Rolle, die einen hohen Anteil an den inneren Oberflächen des gesamten Partikelgemisches haben. Dazu zählen sämtliche Feinstoffe wie z.B. Zemente, Flugaschen, Pigmente, Silika usw.

Bislang war es nicht möglich, die Zugfestigkeit erdfeuchter Betone oder Leime mit einem einfachen Versuchsaufbau zu überprüfen, die bei Wierig enthaltenen, wenigen Versuche zur Messung der Zugfestigkeit wiesen einen aufwändigen Versuchsaufbau auf, da zur Beginn der 70 er Jahre noch keine sensiblen digitalen Kraftmessgeräte zur Verfügung standen.

Eine systematische Untersuchung, die den Einfluss der feinen Feststoffpartikel und des Wassergehaltes auf die Zugfestigkeit frischer erdfeuchter Betone beschreibt, liegt bislang nicht vor, ebenso wenig wie Aussagen über das Verformungsverhalten der Partikelgemische bei Zugbeanspruchung.

Jedoch sind wesentliche Schadensbilder an frischen Produkten, die zur Eingruppierung als sofortiger Ausschuss während der Produktion führen, zurückzuführen auf Zugfestigkeitsversagen. So entstehen sogenannte Setzrisse an frischen Betonrohren dadurch, dass der obere Teil des frischen Rohres in der nach oben gezogenen Form haften bleibt und anschließend wieder auf das untere Teil fällt. Diese Risse sind während der Produktion mit dem Auge sehr schwer zu sehen. Sie können beim Transport des frischen Produktes zum Erhärtungsplatz zum Einsturz führen, oder Sie erzeugen im erhärteten Zustand Undichtigkeiten, die während der Seriendichtheitsprüfung mit Wasser oder Luft erkannt werden, weil auch durch die Hydratationsprodukte während der Erhärtung die Gefügestörungen nicht überbrückt werden können.

Bei Pflastersteinen ist ein erheblicher Teil des Produktionsausschusses, der insgesamt bei ca. 1% liegt, zurückzuführen auf Oberflächenfehler. Teile der Steinoberseite bleiben an den nach oben fahrenden Auflaststempeln aus Metall haften und die Steinoberseite weist eine bleibende Vertiefung auf wie in Abbildung 2. Diese Steine werden un¬mittelbar nach der Erhärtung auf der Trockenseite der Fertigung aussortiert.

In beiden Fällen, bei Rohren und bei Pflastersteinen, kommt es zur Überschreitung der vorhandenen Haftkräfte an den Kontaktpunkten der Feststoffpartikel aufgrund von ein-wirkenden Zugkräften. Dadurch bleiben Teile der Matrix an Formen oder Auflaststempeln haften oder das Produkt kollabiert, d.h. zerfällt durch sein Eigengewicht.

Abbildung 2: Betonpflasterstein 10x20x8 mit Fehlstelle im Vorsatzbeton an der Oberfläche.

In diesem Fall sind die Haftkräfte des fehlenden Teilbereiches an der Metallstempelplatte größer als die Haftkräfte innerhalb der Mörtelmatrix.

Abbildung 3: sofort entschalte Stahlbetonrohre aus erdfeuchtem Beton, rechtes Rohr nach der Herstellung kollabiert (Länge 2000 mm, Innendurchmesser 600 mm, Wanddicke 120 mm)

Abbildung 3 zeigt ein frisch entschaltes Stahlbetonrohr, das nach dem Verfahren von der Befüllstation zu seinem aktuellen Lagerplatz dort wenig später zusammengefallen ist.

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3

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