2.1   Rheologische Untersuchungen an Leimen

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

Das Fließ- und Verformungsverhalten von Zementleimen und Zementmörteln wird häufig mit Rotationsviskosimetern wie in Abbildung 4 untersucht [23]. Überprüfungen von zeitabhängigen Konsistenzänderungen sowie den Einflüssen von Temperatur, Zusatzmitteln und Kunststoffzusätzen wurden bereits zu Beginn der 90er Jahre intensiv von Masuch durchgeführt [24].

Abbildung 4: Viskosimeter Typ Viscomat NT der Fa. Schleibinger, aktuelle Serie, Bj. 2018
[23]

Mit der zunehmenden Bedeutung der selbstverdichtenden Betone wurden verstärkt Untersuchungen durchgeführt mit dem Ziel, die Fließgrenze und die dynamische Viskosität als Kenngrößen für den theoretischen Mischungsentwurf zu etablieren und beide durch die Verwendung hochwirksamer Fließmittel auf PCE Basis und den WasserFeststoffgehalt gezielt zu beeinflussen.

In jüngster Zeit wurden insbesondere Untersuchungen über die Sedimentationsstabilität und die Robustheit selbstverdichtender Betone durchgeführt [25] [53]. Eine Besonderheit stellten rheologische Leimuntersuchungen für selbstverdichtende Straßenbaubetone dar, die eine hohe Grünstandsfestigkeit erzielen sollten, um in Gleitschalungsfertigern verarbeitet werden zu können [26]. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht möglich war, auch mit Hilfe von Thixotropiermitteln nicht, die gewonnenen Erkenntnisse der Viskosimeteruntersuchungen an fließfähigen Leimen zu verwenden, um die Grünstandsfestigkeit günstig zu beeinflussen.

Generell können mit Rotationsviskosimetern sowohl Newton-Flüssigkeiten als auch Suspensionen, die als Bingham-Körper reagieren, untersucht werden. Diese werden einem laminaren, stationären Schervorgang ausgesetzt, wodurch ihr Verformungsverhalten und die innere Reibung als Folge der Kraftwirkung zwischen den Molekülen (Viskosität) aufgezeichnet werden kann. Bei einer Suspension handelt es sich gem. Abbildung 5 um eine Flüssigkeit, in der fein verteilte Festkörper in Schwebe gehalten werden. Auch im landwirtschaftlichen Bereich werden Rotationsviskosimeter herangezogen, um Fragestellungen des Gülle- oder Futtertransportes bei der Bemessung von Förderanlagen zu untersuchen [27].

Folgende Grundvoraussetzungen müssen für Untersuchungen in Rotationsviskosimetern erfüllt sein [27]:

  • laminare und stationäre Strömung mit parallelen Stromlinien,
  • Inkompressibilität und Unabhängigkeit des Fließverhaltens vom Druck,
  • Homogenität.

Alle drei genannten Voraussetzungen sind bei erdfeuchten Betonen und Leimen nicht erfüllt, da keine Sättigung der Feststoffmatrix mit Wasser vorliegt. Die darin vorhandene Luft ist notwendig, damit kräfteübertragende Zwickelwasserbrücken zwischen den Partikeln gebildet werden können. Dadurch sind erdfeuchte Betone inhomogen und bis zum Erreichen ihres maximalen Verdichtungsgrades kompressibel.

Um ein Kornhaufwerk in eine Suspension zu überführen, wird der Mindestwassergehalt benötigt. Dies ist der Wassergehalt, der erforderlich ist, um die Oberflächen der Feststoffpartikel zu benetzen und anschließend die Hohlräume des Haufwerks zu füllen. Er kennzeichnet den Übergang zwischen einem Kornhaufwerk und einer Suspension, an dem sich die scheinbare Kohäsion durch die Reduzierung der kapillaren Bindungskräfte verliert und das Korngemisch bei Energieeinwirkung zu fließen beginnt. Der Übergang tritt in der Regel schlagartig auf, siehe Abbildung 5 [28].

Abbildung 5: Scherwiderstand in Abhängigkeit vom Wassergehalt beiÜbergang eines Kornhaufwerks in eine Suspension [28]

Der Mindestwassergehalt kann z.B. durch das Puntke Verfahren und das βP Wert Verfahren ermittelt werden, wie sie in [29]

Erdfeuchte Leime sind auf die kapillaren Bindungskräfte angewiesen und haben Wassergehalte, die zum Teil deutlich unter dem Mindestwassergehalt liegen, wodurch sie sich wie feuchte Kornhaufwerke verhalten.

Rotationsviskosimeter sind daher für Untersuchungen an EF Leimen und mörteln grundsätzlich nicht geeignet. Weiterhin können die Ergebnisse aus den Untersuchungen von fließfähigen Leimen nicht auf EF Leime übertragen werden, da das Kraft und Verformungsverhalten aufgrund unterschiedlicher interpartikulärer Kräfte nicht vergleichbar ist. Bei allen fließfähigen Leimen bestehen keine kapillaren Bindungskräfte durch Flüssigkeitsbrücken an den Partikeln untereinander, da es sich um gesättigte Suspensionen handelt.

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3

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