Modellvorstellungen, die sich bei Zementleimen, -mörteln oder Betonen mit der Verteilung des Wassers um die Feststoffpartikel beschäftigen, gehen immer von Suspensionen aus, in denen Partikel in Wasser „schwimmen“ und keine nennenswerten Grenzflächen zu Luft vorhanden sind. Nach dem Mischen aller Feststoffpartikel mit Wasser werden bei ausreichendem Wasserangebot alle Partikel mit einem Wasserfilm umgeben und die Hohlräume, die in den Zwickeln zwischen den Feststoffpartikeln verbleiben, mit Wasser gefüllt. Durch die Dicke des die Partikel umgebenden Wasserfilms wird die Lage der Partikel zueinander charakterisiert. Je größer der Wassergehalt des Betons bezogen auf die gesamte Oberfläche aller Feststoffpartikel ist, umso weiter liegen die Partikel auseinander. Somit führt ein zunehmender Wassergehalt auch trotz einer optimierten und hohen Packungsdichte der Feststoffpartikel in trockenem Zustand, zu einer verminderten Packungsdichte im Frisch und Festbeton [63].
Ein vereinfachtes Modell über die Ausbildung der Wasserfilmdicke um Zementpartikel an Leim und Mörtelsuspensionen, d.h. gesättigten Systemen, ist in der Arbeit von Krell enthalten [64]. Dieser kommt zum Ergebnis, dass für die Normsteife von Zement rein physikalisch eine Wasserfilmdicke dlqvon rd. 22 μ für jedes Partikel erforderlich ist unter der Annahme ideal kugeliger Partikel mit glatter Oberfläche. Die dort vorgeschlagene Ermittlung der Wasserfilmdicke durch Division der Summe des Wasservolumens durch die Summe der Partikeloberfläche ist aufgrund der großen Abweichung der gekrümmten Partikeloberfläche von der Ebenen fehlerbehaftet und weist insbesondere bei sehr kleinen Partikeln eine Abweichung von ca. 25 % auf.
Genauer ist es, wenn dlq berechnet wird mit dem Ansatz als Kugelschale/ Hohlkugel aus der Differenz der beiden Kugelvolumina (Partikelvolumen mit Wasserfilm und ohne Wasserfilm).
Bei bekannter Wassermenge Vwje Gramm Zement ist die Dicke des Wasserfilms um ein Partikel unter Berücksichtigung der gekrümmten Oberfläche:
Bei einer bekannten Partikelverteilung kann näherungsweise der mittlere Partikelradius angenommen werden, über den dann die Partikelanzahl je Gramm Zement berechnet werden kann. Dadurch kann eine mittlere Wasserfilmdicke je Partikel berechnet werden.
Bei der Verteilung von Wasser, das einer Partikelschüttung wie z.B. Zement zugegeben wird, geht Krell davon aus, dass sich erst dann zwischen den einzelnen Partikeln ein Wasserfilm bildet, wenn alle Hohlräume (Zwickel) mit Wasser gefüllt sind. Diese Vorstellung geht davon aus, dass zunächst eine vollständige Füllung der Zwischenräume mit Wasser erfolgt und bei einer weiteren Erhöhung der Wassermenge der Kontakt der Partikel untereinander durch zunehmend große Wasserfilme um die Partikel aufgehoben wird.Bei erdfeuchten Betonen liegen jedoch so geringe Wasseranteile vor, dass ein vollständiges Ausfüllen der Hohlräume und ein dadurch bedingtes “schwimmen“ der Partikel in einer wassergesättigten Matrix nicht stattfindet. Daher ist das Modell für den Bereich erdfeuchter Betone nicht anwendbar.
Im Vergleich zu der Summe der Flächen aller möglichen Flüssigkeitsbrücken in den Zwickeln zwischen den Partikeln ist die Summe aller Partikeloberflächen groß. Daher ist bei Kontakt mit Wasser ein Benetzen der Partikeloberflächen unvermeidlich und es bilden sich immer zuerst Adsorptionsfilme an den Partikeloberflächen aus, bevor dann Zwickel und Zwischenräume mit Wasser gefüllt werden [65].
Reschke [63] berechnet die zu erwartende Wasserfilmdicke auf der Grundlage der Untersuchungen von Krell [64]. Er berechnet das Volumen der Wasserhülle, die Partikel umgibt anhand einer Wasserfilmdicke von 10 µm, die bei Normsteife für alle Feinstoffe näherungsweise gleich angenommen wird [63]. Dabei geht er davon aus, dass alle Feinstoffpartikel dieselbe Wasserfilmdicke umgibt. In der Realität ist die Dicke des Wasserfilms abhängig von der Partikelgröße, da diese auch das Zeta-Potential (siehe Abbildung 72) und somit auch die Anziehungskraft auf das Wasser beeinflusst. Ebenso wird die Rauhigkeit der Partikel die reale Wasserfilmdicke unterschiedlich beeinflussen [66]. Partikel, die eine Größe von 1 µm haben werden nicht von einem Wasserfilm umgeben sein der genauso dick ist wie der bei Partikeln mit 80 µm Durchmesser. Daher stellt die Angabe einer mittleren Wasserfilmdicke eine Hilfsgröße dar, die reale Verteilung wird in einem Verhältnis zum Partikeldurchmesser stattfinden und dazu führen, dass kleine Partikel mit einem dünneren Film umgeben sind als größere. In realen Verhältnissen wird die maximal umgebende Wasserfilmdicke vom Partikeldurchmesser, dem Gewichtsverhältnis Feststoff Wasserfilm oder den Unterschieden der Massenträgheitsmomente mit bzw. ohne Wasserfilm abhängen. Aussagen hierzu liegen in der gesichteten Literatur nicht vor.
Die molare Masse von Wasser ist 18. 1 mol sind 6,023*1023 Moleküle. 1 Wassermolekül benötigt etwa 18 Ų Fläche das entspricht 1,8 x 10-15cm² [58]und einem Durchmesser von 4,79 Å.Damit kann für jede Partikelverteilung berechnet werden, wieviel Wasser für nur eine Monolayerschicht unter der Annahme kugeliger Körner erforderlich ist.
Bei einem Zement mit einer aus der Kornverteilung errechneten Gesamtoberfläche von 5000 cm2/g werden insgesamt 5000 / 1,8 x 10-15 = 2,77 x 1018/g Moleküle Wasser je Gramm Zement benötigt. Das entspricht einem Gewicht von
2,77 x 1018 x 18 / 6,023 x 1023 = 8,3 x 10 05 g für eine Monolayerschicht Wasser. Anders ausgedrückt beträgt der gravimetrische w/z Wert für eine Monolayerschicht Wassermoleküle 0,000083.
Ein w/z Wert von 0,18 entspricht einem Gewicht von 0,18 g Wasser pro Gramm Zement. Damit ist die mittlere Wasserschicht auf der Zementoberfläche ca. 2.168 Wassermoleküle dick, also ca. 1µm im Mittel.
Das Wasser, das der Feststoffmischung zugeführt wird, kann auf verschiedene Arten in den Haufwerksporen gebunden werden. Schematisch veranschaulicht wird dies in Abbildung 47undAbbildung 48. Die Bindung der Flüssigkeit ist abhängig von der zugeführten Wassermenge und der Benetzbarkeit der Feststoffpartikel. Die Flüssigkeit ist bei der Bildung eines Haftflüssigkeitsfilmes um die Feststoffteilchen (Adsorptionsschicht) in dieser Schicht nicht frei beweglich, siehe Abbildung 6. Die Verbindung zwischen Flüssigkeit und Oberfläche des Feststoffes kann mechanisch nicht gelöst werden. Im Gegensatz dazu ist das Wasser im Brückenbereich frei beweglich und kann mechanisch von den Feststoffteilchen gelöst werden. Genauso im Übergangsbereich, dort entstehen Flüssigkeitsinseln, die ganze Hohlräume verschließen. Der Sättigungsgrad liegt in diesem Bereich zwischen 30% und 80%.
Im Sättigungsbereich liegt der Sättigungsgrad über 80%, die Haufwerksporen sind fast vollständig mit der Flüssigkeit gefüllt [67].
Zement ist mit Wasser vollständig benetzbar. Bei den niedrigen Wassergehalten eines erdfeuchten Zementleimes wird der Sättigungsbereich des Zements nicht erreicht. Es wird angestrebt, bei der Herstellung des Zementleims mindestens den Adsorptionsschichtenbereich zu erlangen. Das heißt, dass die Oberfläche jedes Feststoffteilchens mit einer Flüssigkeitsschicht überzogen ist und keine unbenetzten Partikeloberflächen mehr vorhanden sind.
Abbildung 47: Sättigungsbereiche poröser Schichten (a) Adsorpionsschichten, (b) Zwickel undBrückenbereich [67] (Wasser = schwarze Linien/Flächen)
Abbildung 48: Sättigungsbereiche poröser Schichten (a)Übergangsbereich,
(b) Sättigungsbereich [67] (Wasser = schwarze Linien/Flächen)
Die Flüssigkeitsbrücken zwischen den Partikeln werden sich durch die angelagerten, vollflächigen Wasserfilme um die Partikel in ihrer Geometrie von der Situation in Abbildung 33 unterscheiden. Isolierte Flüssigkeitsbrücken, die nicht in den Wasserfilm eingebunden sind, der die Partikel umgibt, können nicht existieren, da sich zuerst die adsorptiv gebundenen Wasserfilme bilden und die Partikel einhüllen. Erst wenn danach noch genügend Wasser zur Verfügung steht,werden Wasserbrücken ausgebildet und die Zwischenräume in den Zwickeln beginnen sich zu füllen [67].
Entweder es ist genügend Wasser vorhanden, um ausgeprägte Kapillarbrücken zwischen den Partikeln zu ermöglichen oder die Adsorptionswasserfilme verformen sich bei dem Kontakt der Partikel und bilden aus sich heraus eine wesentlich kleinere Brücke.
Abbildung 49: idealisiert runde, ebene Partikel mit einer Schicht aus adsorbiertem Wasser (dWad nicht maßstäblich in blau)
Im Kontaktfall durchdringen sich die Adsorptionswasserfilme zunächst und der Abstand der Partikel beträgt nicht 2*dWad sondern 1*dWad wie in Abbildung 49 dargestellt. Wenn die Packungsdichte der Partikel untereinander hoch genug ist, werden unmittelbare Kornzu Korn Kontakte entstehen. Beide Fälle führen zu einer Umlagerung des Adsorptionswassers und die geringe Menge des entstehenden Überschusswasserswird entweder die Filmdicke erhöhen oder bildet eine Brücke aus.
Bei Partikelkontakten mit Adsorptionsfilmen kommt es insgesamt zu einer Verstärkung der Haftkräfte durch Adsorptivkräfte. Die adsorbierten Wasserschichten dürfen bei dünnen Schichten als unbeweglich, angenähert als zum Feststoff gehörend, betrachtet werden, siehe auch Abbildung 6. Es ist zu erwarten, dass sich die Wassermoleküle in den energetisch günstigen Rauhigkeitsvertiefungen der Feststoffoberfläche anlagern. Sie bewirken somit eine Vergrößerung der korrespondierenden Flächen zweier Teilchen bzw. eine scheinbare Verringerung des Abstandes a und vergrößern dadurch die Haftkraft [127]. Dieser Zustand ist in Abbildung 50 dargestellt. Wassermengen, die über die für eine Monolayerschicht benötigte Menge hinaus gehen, werden sich zunächst solange ungleich verteilen, bis die Vertiefungen in der Partikeloberfläche weitgehend ausgefüllt sind.
Abbildung 50: Schematische Darstellung der Berührung zwischen zwei Körnern ohne (links) und mit Sorptionsschichten (rechts) [127]
Erst wenn sich durch größere Wassermengen Wasserbrücken an den Kontaktpunkten bilden können, kommen die kapillaren Bindungskräfte hinzu.
Im Vergleich zu polymolekularen Substanzen wie z.B. Kunststoffen, Gele aus Eisen (III) Hydroxid, und Aluminiumhydroxid kann eine niedermolekulare Substanz im flüssigen Zustand eine molekulare Berührung mit dem Gesteinskörnungsstoff nicht so leicht erzielen, weil sie sich infolge ihrer großen Oberflächenspannung über oberflächliche Unebenheiten derGesteinskörnung hinwegspannt [68]. So kann Wasser z.B. auch Mikrorisse sowie kleinere Unebenheiten des Korns überbrücken, wenn der Film sich in Ruhe ausbilden kann. Im Zuge der Partikelreibung im Mischer ist die Ausbildung dieser Filme durch die ständige Umlagerung und Reibung nicht möglich. Jedoch kann hier auch ein Erklärungsansatz dafür liegen, warum manche Mischsysteme im suspensiven Bereich (d.h. normale, bewegliche Konsistenzen) weichere Betone mischen als andere.