2.4.2.3   Verformungen an Partikeln und Flüssigkeitsbrücken

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

Flüssigkeitsbrücken bewirken durch ihre Haftkraft eine Verformung der Partikel, die überwiegend elastisch ist. Wenn äußere Zugbeanspruchungen einwirken, gehen zunächst diese Verformungen zurück bis anschließend nach dem Überschreiten der maximalen Zugkraft bei größeren Wegen die Haftkräfte der Flüssigkeitsbrücken langsam abnehmen, bis ihre kritische Zerreißlänge überschritten wird [87].

Abbildung 65: links: Dehnungsverhalten von Feuchtagglomeraten, Vergleich zwischen
Theorie undExperiment nach Rumpf [119], rechts: Modell für das Dehnungsverhalten feuchterAgglomerate nach Schubert, Hermann und Rumpf [93]; F1 = äußere Zugkraft, F2 = Druckkraft zwischen den Partikeln infolge Zugkräfte der Flüssigkeitsbrücken

Aus Abbildung 65 ist erkennbar, dass sich die Flüssigkeitsbrücken zwischen Partikeln, die miteinander in Kontakt sind, verformen, wenn Dehnungen aufgebracht werden. Dadurch verringert sich die Kontaktfläche zum Partikel und die Haftkraft nimmt ab, ohne sofort und schlagartig auf Null zu sinken. Ein Abriss der Brücken an der schwächsten Stelle und damit der Wegfall der Zugkraft findet erst bei wesentlich größeren Längenänderungen statt [93].

Auf dem ansteigenden Ast der Zugkraft wird die maximale Kraft bereits bei sehr geringen Längenänderungen erreicht, siehe rechtes Bild von Abbildung 65. Dieser ansteigende Ast entsteht dadurch, dass sich Partikel durch die wirkenden Haftkräfte der Flüssigkeitsbrücken elastisch verformen. In diesem Zustand wird der dargestellten Aneinanderreihung von Partikeln die Länge l zugewiesen. und eine Längenänderung ∆l1 eintritt.. Bei auftretender äußerer Zugkraft werden zunächst die elastischen Verformungen wieder aufgehoben. Es stellt sich eine Verlängerung ∆l1ein, und die Verstärkungen der Haftkräfte, die sich auf Grund der Vergrößerung der Kontaktflächen durch die elastischen Verformungen eingestellt haben, gehen zurück. Die Haftkräfte der Flüssigkeitsbrücken verringern sich mit der Reduzierung der Kontaktfläche und der beginnenden Einschnürung der Brücke durch die Längenänderung und die Abstandsvergrößerung der Partikeloberflächen.

Die Deformationslänge ∆l1 kann nach [93] berechnet werden zu:

Als Radius der Deformation Rdfwurden bei Rumpf Annahmen getroffen, die rekursiv aus Versuchsergebnissen gewonnen und nicht näher dargelegt wurden. Wenn man davon ausgeht, dass eine Partikeldeformation auf Grund der anziehenden Haftkräfte der Flüs sigkeitsbrücke erfolgt, erscheint es als eine Näherung zutreffend, dass die Deformation sich höchstens über den wirksamen Azimutradius r2 der Brücke erstreckt, da in diesem Bereich auch die Haftkräfte wirken.

Als Beispiel wird ein Partikelkontakt aus zwei Partikeln mit je 1µm Durchmesser (daher l=2 µm), jeweils einem Film dlq=0,03µm berechnet mit Abstand a=0.

Dabei sind r2(=Rdf)=0,146 µm, r1=0,03 µm und Hlq=1,916*10-07N.

Unter der Annahme dass näherungsweise Rdf =r2 ist und für die Materialkenngrößen ∪=0,27 für Zementstein [94] und E=50 GPa (≙0,50 N/µm2) für unhydratisierten Zement [95] angesetzt werden, ist:

Jeder der beiden Partikel deformiert sich also um 1,572 *10-4µm, das entspricht einer Längenänderung von 0,157 ‰ unter der Annahme ideal glatter Oberflächen. Wenn die Oberflächen mit Rauhigkeitsspitzen belegt sind, wird die Deformation größer sein, weil die Rauhigkeiten kleinere Durchmesser aufweisen und leichter verformt werden können.

Eine auf Messergebnissen basierende Näherungsgleichung für die Zerreißlänge akrit einer Flüssigkeitsbrückewurde in Abhängigkeit vom Brückenvolumen VLvon Lian et al. [96] entwickelt, dabei wird das Brückenvolumen nach [90] empirisch angenähert:

Der Einfluss der Rauhigkeiten wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Einerseits wird davon ausgegangen, dass die Rauhigkeiten keinen verringernden Einfluss auf die Größe der Haftkraft haben, weil die Täler mit Flüssigkeit ausgefüll
t werden und die Erhe¬bungen in die Flüssigkeitsbrücke hineinragen und so den wirksamen Abstand nicht än¬dern [Rumpf, Schubert]. Bei sehr niedrigen Feuchten legen neuere Messergebnisse je¬doch nahe, dass sich dann nur sehr wenige kleine Flüssigkeitsbrücken zwischen einzelnen Rauhigkeitserhebungen ausbilden, wie auch in Abbildung 45 dargestellt. Erst mit zuneh mender Feuchte steigt die Anzahl der Mikrobrücken bis sie sich dann zu einer größeren Brücke vereinigen [62], [90].

Auch das Deformationsverhalten wird durch Oberflächenrauhigkeiten beeinflusst werden.

Die Fläche der Rauhigkeiten, die in Kontakt miteinander stehen, ist wesentlich kleiner als der zu erwartende Deformationsradius des gesamten Partikels, daher wirken auf diese Erhebungen unter der Annahme gleicher Kontaktkraft zwischen den Partikeln wesentlich größere Spannungen, so dass sich zunächst die Rauhigkeiten einebnen werden bevor dann der an den ehemaligen Tälern der Rauhigkeiten beginnende Kernbereich der Parti kel ebenfalls deformiert wird. Die Gesamtdeformation und damit die Annäherung der Partikelmittelpunkte aneinander wird durch die Rauhigkeiten größer ausfallen als es mit Formel 23 berechnet werden kann.

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3

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