4.3   Versuche an erdfeuchtem Beton für die Herstellung von Betonpflastersteinen

Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische

Den Abschluss der Versuche bildet eine Erprobung der Versuchseinrichtung auf Eignung für die Prüfung erdfeuchter Betone. Die Versuche wurden im Labor der Universität Wuppertal durchgeführt, um in der Phase der Erprobung der Versuchseinrichtung umfangreiche Störungen während der laufenden Produktion bei Herstellern zu vermeiden. Bedingt durch die dortige Herstellung des Betons mit anschließender, automatischer Übergabe in eine Kübelbahn und weiterer Übergabe in die Steinfertigungsmaschine kann nur dann per Hand eine Frischbetonprobe erhalten werden, wenn die gesamte Produktionskette nach dem Mischende unterbrochen und danach manuell beendet wird.

Statt dessenwurden im Labor Versuche an einer Betonrezeptur durchgeführt, wie sie bei der Produktion von Kernbeton für Betonpflastersteine verwendet wird. Der dafür vorgesehene w/z Wert von 0,34 ließ sich mit der vorhandenen Gesteinskörnung nicht als verdichtbare erdfeuchte Betonrezeptur einstellen, weil die im Labor vorhandene Körnung bedingt durch die Lagerzeit im Labor vollständig ausgetrocknet war. Auf ein Vornässen und anschließendes langsames Rücktrocknen wurde verzichtet und eine verdichtungsfähige, erdfeuchte Konsistenz durch erhöhte Wasserzugabe eingestellt, da ausschließlich die Funktionalität des Prüfverfahrens bei erdfeuchtem Beton überprüft werden sollte und nicht die Zugfestigkeit einer exakten vorgegebenen Betonmischung.

Ebenso kann durch übliche Labormischer (Ringtellermischer) die Mischintensität von Großmischern für erdfeuchten Beton (Gegenstrommischer) nicht erreicht werden, weil Drehzahl und gegenläufige Schaufelrotation mittels Planeten nicht gegeben sind, was zu einer schlechteren Durchmischung und damit zu erhöhtem Wasserbedarf führt.

Tabelle 10 enthält die verwendeten Rezepturen ohne eine Berücksichtigung von Luft. Die ergänzend angegebenen Wasser Feststoff-Werte (w/f) beziehen sich auf das Verhältnis Wasser zu Zement und Flugasche. Unter Berücksichtigung aller zugegebenen Feststoffe, d.h. auch der Gesteinskörnungen, liegen die (w/z+f+GK) Werte bei 0,0383 für Rezeptur 1 und bei 0,0474 für Rezeptur 2. Eine Angabe dieses Wasser Gesamtfeststoff Verhältnisses ist in der Betontechnologie jedoch bislang nicht üblich, daher liegen hierfür auch keine Vergleichsmöglichkeiten und Erfahrungswerte vor.

Tabelle 10: Verwendete Rezepturen für erdfeuchten Beton mit Größtkorn 8 mm [1 m3]

Verwendet wurde ein CEM I 42,5 R (Spenner), Flugasche (Baumineral), Rheinsand und Rheinkies. Für die Versuche wurden 10 Liter Beton angemischt mit einem 50 l Labormischer.

Aus jeder Mischung wurden jeweils drei Probekörperformen zunächst befüllt und anschließend unmittelbar nacheinander geprüft, um eine verlässlichere Aussage über die Tauglichkeit des Prüfverfahrens zu gewinnen als mit nur einem Probekörper.Obwohl die w/z Werte beider Rezepturen deutlich voneinander abweichen, weist der frische erdfeuchte Beton beider Rezepturen optisch keine erkennbaren Unterschiede auf. Auch der verdichtete Beton nach erfolgter Zugprüfung an der Bruchstelle zeigte keine erkennbaren Unterschiede, beides ist in Abbildung 140 und Abbildung 141dokumentiert.

Abbildung 140: Rezeptur 1 rechts nach dem Mischen, links nach dem Prüfen

Abbildung 141: Rezeptur 2 rechts nach dem Mischen, links nach dem Prüfen

Anhand dieser beiden Rezepturen zeigt sich, dass keine optischen Unterschiede zu erkennen sind, somit auch keine Zuordnung der Rezeptur zum Beton möglich ist. Es handelt sich in beiden Fällen um Betone, die lediglich mit allgemeinen Begriffen wie„erdfeucht“, „zero slump concrete“ (vgl. Kap.2.2) oder „negative slump concrete“ bezeichnet werden. Insbesondere letzterer umschreibt, dass eine weitere Zugabe von Wasser noch möglich ist, und es sich danach immer noch um einen zero slump-Beton handelt. Auch können beide Beton nicht über die begriffliche Umschreibung, dass der Eine „trockener“ als der Andere sei, differenziert werden, weil diese Feststellung auch mit z.B. dem Kellenstrich bzw. dem Glätten am Rande des Transportgefäßes nicht getroffen werden konnte.

In Abbildung 142 und Abbildung 143 sind die Zugdehnungskurven der beiden Rezepturen dargestellt. Die Verdichtungsgrade v der einzelnen Proben sind in den Diagrammen mit angegeben.

Abbildung 142: Zugkraft von drei Probekörpern aus einer Mischung erdfeuchten
Betons mitw/z = 0,428 (Rezeptur 1)

Abbildung 143: Zugkraft von drei Probekörpern aus einer Mischung erdfeuchten
Betons mitw/z = 0,53 (Rezeptur 2)

Entgegen der optischen Erscheinung beider Betone ist das gemessene Zugdehnungsverhalten unterschiedlich. Bei Rezeptur 1 liegen die maximalen Zugkräfte bei 9,2 N bzw. 9,3 N, bei Rezeptur 2 zwischen 7,5 N und 8,7 N. Dabei nimmt der Weg, bei dem die Maximalkraft erreicht wird, bei Rezeptur 2 leicht zu. Der vollständige Abfall der Zugkraft tritt bei Rezept 1 bereits bei 0,375 mm ein, bei Rezept 2 erst oberhalb von 0,675 mm. Während bei Rezeptur 1 alle drei Versuchskurven relativ nah zusammen liegen, weicht Probe 1 bei Rezeptur 2 deutlich von den beiden anderen ab.

Insgesamt zeigt sich, dass alle drei Werte der maximalen Zugkraft von Rezept 1 über denen der Rezeptur 2 liegen,i.M. +15 %, so dass die Ergebnisse eine erkennbare Unterscheidung aufweisen. Die Verdichtungsgrade der jeweils drei rezepturgleichen Probekörper liegen dicht beieinander, dabei sind die Verdichtungsgrade der Rezeptur 2 ca. 3 % höher. Die Verdichtungsgrade sind insgesamt deutlich geringer als bei den Versuchen die ausschließlich an Leimen durchgeführt wurden. Abbildung 129 korrespondiert mit dem hier verwendeten Zement CEM I 42,5 R und 15 M. % Flugasche am ehesten. Im Vergleich zeigt sich, dass Verdichtungsgrade und Zugkräfte am Leim mit annähernd identischen Ausgangsstoffen deutlich höher sind als am erdfeuchten Beton.

Bei den verwendeten gravimetrischem w/f-Wert von 0,19 beträgt der volumetrische w/f Wert 0,53. Demgegenüber liegt bei der hier verwendeten Betonrezeptur 1 der volumetrische w/f Wert unter Einbeziehung der Gesteinskörnung bei 0,10 (bei einem w/z Wert von 0,428). Diese verringerte Wasserverteilung bezogen auf das gesamte Feststoffvolumen trägt dazu bei, dass sich die Gleitwirkung durch Flüssigkeit bei dem Beton gegenüber einem Leim verringert. Daher setzt die Betonmatrix dem Verdichten einen höheren Widerstand entgegen. Auch die Haftkräfte zwischen den Partikeln werden durch das Vorhandensein der Gesteinskörnung beeinflusst. Das für die Flüssigkeitsbrücken und Adsorptionsfilme zur Verfügung stehende Wasser an den Partikeloberflächen verringert sich ebenfalls im Vergleich zu einem Leim. Haftkräfte durch van der Waals Kräfte verringern sich, weil die Oberflächenrauhigkeiten, von denen gem.

Abbildung 66 bei einer Größe von unter 0,1 µm der dominierende Einfluss ausgeht, bei Gesteinskörnungen generell gröber sind als bei pulverförmigen Stoffen aus einem Mahlprozess. Ebenfalls verringert sich der Anteil der plastischen Komponente der van der Waals Kräfte an der Gesamthaftkraft, weil sich das Volumenerhältnis (und das Oberflächenverhältnis auch, Verhältnis Oberfläche zu Volumen = 3 bei idealen Kugeln) des Zementes am gesamten Feststoffvolumen verringert und insgesamt weniger deformierbare Feststoffoberfläche zur Verfügung steht.

Aus den Leimeigenschaften und dem Zugdehnungsverhalten der Leime in Abbildung 129 können keine Prognosen über das zu erwartende Verhalten oder die Zusammensetzung eines daraus bestehenden erdfeuchten Betons abgeleitet werden. Das Gesamtverhältnis Wasser Feststoff zwischen Leim und Beton ist generell nicht vergleichbar, ebenso wie die prozentuale Verteilung der Haftkraftkomponenten auf der Partikelebene unterschiedlich sein muss, weil quarzitische Grobkörner aus natürlichem, ungebrochenem Sand und Kies z.B. keine bzw. wesentlich geringere plastische Deformationen erfahren werden als Zement mit Hydratationsprodukten der ersten Minuten bzw. Zement ohne Hydratationsprodukte, jedoch mit deformierten Mikrorauhigkeiten auf der Oberfläche.

Anhand der x Achsen beider Diagramme ist zu erkennen, dass bei diesen abschließenden Versuchen bereits eine neue Messzelle eingesetzt wurde, die eine Messfrequenz von 80 Herz ermöglicht. Die Prüfgeschwindigkeit betrug auch in diesen Fällen 3 mm/s.

Nachschlagen
Ermittlung der Grünzugfestigkeit erdfeuchter Zementleimgemische als Grundlage für die Optimierung der Produktion von sofort entschalten Betonwaren

Dissertation von
Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

vorgelegt Solingen Juli 2018

Veröffentlicht als Heft 25 in der Schriftenreihe des
Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Herausgeber
Der Geschäftsführende Direktor
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal

Fachgebiet
Werkstoffe im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steffen Anders
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch
Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Bergische Universität Wuppertal

Organisation und Verwaltung
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Bergische Universität Wuppertal
Pauluskirchstraße 11
42285 Wuppertal
Telefon: (0202) 439-4039

© Dr.-Ing. Stefan Zwolinski

ISBN 978-3-940795-24-3